Drei Jahrzehnte Crashtests von Dekra und AXA
| 16.07.2014
Unfallsimulationen bringen hilfreiche Erkenntnisse. - Zu solcher Einsicht kommt es im irdischen Dasein öfter: Hätte man gewusst, was passiert, wäre augenblickliches persönliches Verhalten anders ausgefallen; auch das als Verkehrsteilnehmer. Doch nachhaltig berührt den Einzelnen das Unfallgeschehen im Straßenverkehr selbst außerordentlich tragisches meist nur dann, wenn er unmittelbar davon betroffen ist. Zu verinnerlichen scheinen Fußgänger, Radfahrer und Motorisierte einfach zu wenig, dass Verkehrsunfälle kein „Schicksal", sondern zu mehr als zu 90 Prozent Folge menschlichen Fehlverhaltens sind. Weil das nachweislich so ist, haben all jene Bemühungen besonderen Wert, die darauf gerichtet sind, Verkehrsteilnehmer vor Unachtsamkeit und Leichtsinn zu bewahren und - falls es zu einem Unfall kommt - wenigstens die Verletzungsgefahr zu minimieren. Unfallforscher gewinnen hilfreiche Erkenntnisse nicht nur aus der Analyse realer Unfälle. Zu weitergehendem Erkenntnisgewinn verhelfen Crashversuche. Denn der genaue Ablauf detailliert geplanter Crashkonfigurationen lässt sich aufschlussreich filmen, und auch die Krafteinwirkung an verschiedenen Messpunkten kann beispielsweise präzise ermittelt werden. Auf diese Weise lassen sich letztlich sehr konkrete Schlussfolgerungen auch für konstruktive Verbesserungen an Kraftfahrzeugen ziehen.
Crashs begründen die Helmpflicht
Seit 1985 werden im schweizerischen Wildhaus mit bewundernswertem Engagement Crashtests gemacht. Deren Auswertung hilft, auch Unfallrekonstruktionen zu verbessern, mit denen sich Experten der AXA Winterthur und Sachverständige der Dekra ja befassen. Aber profitieren von den Erkenntnissen, die auf der Crashbahn in Wildhaus gewonnen werden, können auch Automobilhersteller und der Gesetzgeber. Beispielsweise resultierten daraus die Forderungen von AXA und Dekra nach einer Helmpflicht sowohl für Fahrer von Quads und auch für die Nutzer solcher e-Bikes, die eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h erreichen können. Für Quad-Fahrer kam daraufhin die Helmpflicht in der Schweiz und in Deutschland. Eine solche Tragepflicht für Fahrer eines e-Bikes gibt es bis dato allerdings lediglich in der Schweiz. In Deutschland ist sie derzeit in Diskussion. Auf eine generelle Helmpflicht für Fahrer eines „normalen" Fahrrads wurde hierzulande bekanntlich gerade verzichtet.
Fahrerassistenzsysteme unbestritten nützlich
Fehlerhaftes Verhalten mit nicht selten schwerwiegenden Folgen wird vor allem Motorisierten immer wieder vorgeworfen. Dagegen gibt es ein Mittel. Schon 2006 haben AXA und Dekra den Nutzen von Fahrerassistenzsystemen nachgewiesen. Zur Erinnerung: In jenem Jahr wurden lediglich 58 Prozent aller neuen Fahrzeugmodelle in Deutschland und 43 Prozent der Neufahrzeuge in der Schweiz mit serienmäßigem Stabilitätsprogramm angeboten. Inzwischen kommt ESP in Europa bei Neufahrzeugen per Gesetz zum flächendeckenden Einsatz. Schon kreisen Gedanken ums völlig autonome Fahren. Den Weg dorthin begleiten überzeugende aktuelle Fahrerassistenzsysteme, etwa die automatische Geschwindigkeitsregelung, der Notbrems- und der Spurhalteassistent. Technisch sei es bereits möglich, heißt es bei AXA und Dekra, dass Fahrzeuge viele Verkehrssituationen völlig selbständig und sicher meistern, indem sie beispielsweise Auffahrkollisionen vermeiden oder Fußgänger auf der Straße erkennen und daraufhin automatisch bremsen.
Passive Sicherheit hat Grenzen
Beim diesjährigen traditionellen Medien- und Gästetag auf dem Testgelände in Wildhaus wurde die passive Sicherheit alter Autos mit aktuellen Nachfolgemodellen verglichen. Es zeigte sich, dass Passagiere in modernen Fahrzeugen bei einem Unfall mittlerweile sehr gut geschützt sind - und das gilt auch für kleine Mitfahrer im Kindersitz, wie ein „Crashtest live" erleben ließ. Doch stoße das Vermindern der Unfallfolgen mit passiven Systemen angesichts „der Inkompatibilität von Verkehrsteilnehmern an erkennbare Grenzen", war das Fazit in Wildhaus. Aber: Moderne Fahrzeuge mit aktiven Fahrerassistenzsystemen können das Defizit zunehmend wettmachen, indem sie etwa Kollisionen von vornherein verhindern.
Gefragt seien jetzt Politik und Fahrzeugherstellersteller, aber auch ein wachsendes Vertrauen der Fahrer, damit Assistenzsysteme zum Nutzen der Verkehrssicherheit konsequent eingesetzt werden. Eine aktuelle Umfrage von AXA und Dekra habe gezeigt, dass die technische Unterstützung des Fahrers durchaus akzeptiert und gewünscht werde. Allerdings würden heute ein völlig autonom gelenktes Fahrzeug drei Viertel der Befragten noch nicht kaufen. 38 Prozent der Studienteilnehmer führten Bedenken zur Sicherheit ins Feld.
Ein Wunschzettel der Unfallforscher
Die Unfallforscher von AXA und Dekra entwarfen einen aktuellen Wunschzettel. Aus ihrer Sicht sollten Autokäufer auch bislang noch optional angebotene Fahrerassistenzsysteme für ihr Neufahrzeug erwerben und sich mit ihnen intensiv vertraut machen. Entstehende anfängliche Mehrkosten lohnten sich auf jeden Fall. Und Motorradkäufern geben die Unfallforscher mit auf den Weg, dass heutzutage jedes neue Motorrad ABS haben sollte. Allerdings müsse das Verhalten einer Maschine mit Antiblockiersystem auch ausgiebig trainiert werden. Schließlich appellieren die Unfallforscher an die Fahrzeughersteller, Fahrerassistenzsysteme „möglichst rasch serienmäßig" anzubieten. Und von der Politik müsse eine Liste obligatorischer Fahrerassistenzsysteme gefordert werden. Durchaus hilfreich wären auch finanzielle Anreize für die Anschaffung von Fahrzeugen mit bestimmten Sicherheitssystemen. (news2do.com/Wolfram Riedel)
Recht + Verkehr + Versicherung News von campino89
Autor: Yannik Maier
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