Grün-weiße Autos auf Schleichfahrt


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  • | 11.01.2004 15:53

Anstelle von röhrenden, tiefgelegten, breit bereiften Autos sahen die Szenefans am späten Freitagabend stinknormale, grüne und grünweiße Transporter: Die Osnabrücker Hundertschaft der Bereitschaftspolizei war auf Schleichfahrt auf der Pagenstecherstraße, um dem allwöchentlichen Treiben mitten auf der Fahrbahn ein Ende zu bereiten.
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Seit Karfreitag kommen sie wieder freitags abends von überall her: Angelockt durch Werbung im Internet, verabredet über Handy heißt der Treffpunkt „Page“. Die jungen Männer am Steuer der oft teuer um- und nachgerüsteten Autos, die Mädels schick angezogen: Sehen, staunen, über Autos fachsimpeln, Motoren heulen und Reifen quietschen lassen, Leute treffen. Viel los ist allerdings nicht: Die meisten stehen nur am Straßenrand rum, einige machen auf lustig und zünden einen Grill an. Und dann heißt es: Mal abwarten, ob etwas passiert. Für die Logistik ist gesorgt: Zwei Fast-Food-Restaurants liefern Cola und Burger, die Tankstelle Sprit, nicht nur für die Autos. Schon ab 20 Uhr mühen sich zwei Polizisten ab, kontrollieren umgebaute Fahrzeuge auf Verkehrssicherheit. Schnell entdecken sie einen sehr tief gelegten Golf, holen den Abschlepper. „Wir wollten nur tanken”, behauptet die junge Beifahrerin und weint, weil jetzt „das Wochenende verdorben“ ist. Derweil schimpft der junge Fahrer auf den Polizisten: „Wenn ich den Mal privat erwische...“
Auch ohne Rennen (die Autofans bestreiten natürlich die Absicht, die Polizei hat die Fahrbahn durch Sperren verengt) wird es ab 22 Uhr kritisch: Hunderte Menschen drängen auf die Fahrbahn, dazwischen die Autos, die vorgeführt oder mal hier mal dorthin gefahren werden. Ein Rettungswagen mit Blaulicht auf der Fahrt nach Eversburg hat Mühe, durchzukommen. Und weil so richtig noch nichts passiert, machen einige mobil: Unter Anfeuerungsrufen wuchten sie die Sperren weg, kurze Zeit später ist die vierspurige Fahrbahn dicht: Ein Knäuel von Menschen und Autos. Polizisten, die einschreiten wollen, werden be- und abgedrängt. Blieb für die Polizei zuerst (wieder) nur, die Straße von beiden Seiten abzuriegeln.
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„Die Pagenstecherstraße darf keine Amüsiermeile werden“, hatte Polizeichef Sprinkmann betont. Am Freitag-abend gegen 23 Uhr rückten deshalb die Beamten der Bereitschaftspolizei an, die zuvor beim VfL-Spiel Dienst geschoben hatten. Eigentlich sollten sie Fahrzeuge kontrollieren. Doch die Stimmung war aufgeheizt. „Wir wollen hier nichts eskalieren lassen“, unterstrich Einsatzleiter Gerd Nolte. So schickte er die Hundertschaftsbeamten nur los, die Schaulustigen auf die Gehwege zurückzudrängen. Anschließend fuhren die grünen Autos langsam auf und ab, hielten die Fahrbahnen frei.
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Bevor die Polizisten jedoch so richtig einsatzbereit waren, hatte schon die erste Fluchtwelle begonnen: Etliche Fahrer verließen den Szenetreff. Hatten sie Angst, dass ihre Autos genau unter die Lupe und anschließend an den Haken genommen würden? Um Mitternacht konnte die Ausfallstraße für den normalen Verkehr wieder freigegeben werden. Gegen 2 Uhr war der Spuk vorbei, zurück blieben bergeweise Müll. Flaschen und Dosen, achtlos weggeworfen, dazu Scherben. Die Umwelt scheint den Autofreaks egal, Hauptsache, die Autos sind tipptopp.


Quelle:
Neue Osnabrücker Zeitung
Datum:
08.05.2000

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