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  • | 07.09.2006 17:50

Hi,

musste für die Schule etwas über Arbeit schreiben, die total frustig ist aber notwendig ist.

Dachte mir das Thema passt auch in dieses Forum, darum - Viel Spass beim lesen ;) Mal schauen wer es bis zum Ende schafft, ist ein langer Text!


Tankstelle

Ein Grossteil von uns war sicher schon mal an der Tanke. Spätestens dann, wenn die possierliche Leuchte neben der Tanknadel blinkt. Oder wenn man noch zu später Zeit Lust auf ein nettes Bier bekommt.

Meistens schauen wir den Tankwart nicht an, der Blick wandert höchstens über das Schokoriegel-Regal vor der Kasse. Totlangweilig muss doch so ein Job als Kassierer bei einer Tankstelle sein. Besonders die Nachtschichten! Genau das dachte ich auch, bis ich den Job einer bekannten Tankstelle hier in Bielefeld annahm, um mein Auto zu finanzieren. Am Wochenende. Egal, ein verlorener Tag am Wochenende war mir mein Traumauto wert.

Easy Job, dachte ich als ich das erste Mal hinter der Kasse stand. Hier tankte jemand, dort wollte jemand ein Käse-Schinken-Crossaint und der nächste hätte gerne gewusst, wie es zur Autobahn geht. Nach knapp neun Monaten ziehe ich meine erste (offizielle) Bilanz: Es ist grausam! Nicht, das die Arbeit zu unterbezahlt ist. Auch nicht, das ein Mann hinter einer Kasse einer Tankstelle nicht den höchsten Respekt bekommt. Auch nicht, das einem schnell langweilig wird. Im Gegenteil: Kaum zu glauben, das immer was zu tun ist. Nach dem Kassenwechsel (und somit dem Schichtbeginn á acht Stunden) ist zunächst die Wechselgeldkasse zu zählen, in der 500€ feinsäuberlich in kleinen Münzen verstaut werden. Keine leichte Aufgabe, wenn jedes Mal ein neuer Kunde hereinkommt und ich meinen Zählvorgang unterbrechen muss.
Ständig muss ein Auge darauf geworfen werden, dass auch ja alle Waren bis zum Rand aufgefüllt sind. Kann ich verstehen. Aber komischerweise kaufen die Kunden immer genau die Waren, die ich gerade frisch aufgefüllt habe. Also wieder ab ins Lager, auf dem Weg dahin läuft man an verschiedenen Regalen vorbei (die Tankstelle ist recht groß) und sofort stechen einem die Lücken ins Auge, Lücken in den Regalen die noch nicht aufgefüllt wurden.
Im Lager angekommen habe ich meist die Hälfte der Artikel vergessen, die nachgefüllt werden müssen. Wie passend das im Lager ein einziges Chaos herrscht.

Wieder im Verkaufsraum, wartet schon eine Schlange sehr geduldiger Menschen, die mich freundlich darauf hinweisen dass sie nicht allzu viel Zeit haben. Also legt man nen Gang nach und scannt die Waren, die feinsäuberlich auf vor der Kasse aufgetürmt wurden, ein. Jeder Scanvorgang wird durch ein „Piep!“ bestätigt. Angesicht des „Piep!“ sollte man im Falle von geistiger Verwirrtheit eher von Berufsrisiko sprechen.
Nachdem also der Grosseinkauf eingescannt wurde, wird sich meistens spontan umentschieden. Praktischerweise genau dann, wenn bereits alle Waren in die Tüte gepackt sind. „Äh, könnte ich diese Cola noch gerade gegen das Volvic dahinten tauschen? Das hat nicht so viel Kohlensäure!“ Kein Problem, also alle Waren wieder ausgepackt, dann wird durch eine außerirdische Tastenkombination die Retour der Cola gebucht und das Volvic mit einem Lächeln eingescannt. Das die Schlage hinter dem Kunden immer länger wird, scheint diesen wohl nicht zu stören. Während einige demonstrativ auf die Uhr schauen, werfen mir die anderen einen vorwurfsvollen Blick zu.

Gegen Abend wird es meistens ruhiger. Klasse, nun kann ich mir endlich die aktuelle Autozeitschrift aus dem Regal holen, nen Kaffee trinken und eine rauchen. Kann man hier irgendwo die Füße hochlegen? Kaum habe ich den ersten Zug von der Zigarette genommen, sehe ich dass alle Tanksäulen von Autos belagert werden. Die haben sich abgesprochen. Garantiert. Nur um mir meine Pause zu nehmen. Seltsamerweise möchte der Fluss an Kunden gar nicht mehr abbrechen. Jeder mit neuen Wünschen, und ich muss aufpassen das ich immer brav an die Worte meines Chefs denke: „Lächeln, Freundlich sein, Kunde ist König“. Okay. Schade nur dass sich genau dann der Kundenandrang legt, wenn der Kaffee kalt und die Zigarette nur noch aus einem toten Häufchen Asche besteht.
Kurz vor Schichtende ist dann wieder das Warenauffüllen angesagt. Sobald das fertig ist muss die Spülmaschine ausgeräumt werden, die Zigaretten aufgefüllt werden und einmal grob durchgefegt. Und seltsamerweise haben hübsche Damen es im Urin, genau dann zu erscheinen wenn ich schwungvoll mit dem Besen hantiere.

Leider musste ich auch während der WM arbeiten, so dass ich einige Spiele mit deutscher Beteiligung nicht sehen konnte. Radio? Gibt es nicht. Kostet ja GEZ Gebühren! Zum Glück konnte ich immer wieder beruhigt weiterarbeiten, als nach Spielende dann mehrere hupende Autos an der Tankstelle vorbeifuhren.

Nachtschichten sind besonders schlimm: Kaum zu glauben, aber nachts ist mindestens genauso viel los wie tagsüber. Es kommt nicht selten vor das ein ausländischer Mitbürger, mit einem 500-Euro-Schein wedelnd, in die Tankstelle kommt und fragt ob ich diesen nicht mal klein machen könnte. Die Antwort mit der Schere habe ich mir mittlerweile verkniffen, deshalb kommt bei mir nur noch ein klares „Nein“, nachdem mir klar wurde das der Besitzer des 500-Euro-Scheins nicht die Seriosität in Person war.

Lange nach Mitternacht kommen dann auch mal meine Kumpels vorbei. Schön, endlich mal Leute mit denen man sich unterhalten kann. Normalerweise. Stattdessen erzählen sie mir, wie toll doch die Disco war und was ich doch tolles verpasst habe. Natürlich wird dieser interessante Erlebnisbericht stets mit einem alkoholischen Beigeschmack empfunden.

Ab vier Uhr übernehme ich dann die Rolle des Bäckers. Brötchen in den Ofen, so viele wie möglich. Es dauert nicht lange bis die ersten Rentner kommen und mit dem beliebten Satz „Sind die auch frisch??“ meinen gesamten Bestand an frischgebackenen Brötchen wegkaufen. An sich ist das nicht schlimm, das dumme daran ist das der nächste Rentner nicht lange auf sich warten lässt und ebenfalls 30 Brötchen verlangt. Der nette Herr wartet natürlich gerne die 15 Minuten (bis die Brötchen fertig sind) und ist so freundlich mir während dieser Zeit seine gesamte Lebensgeschichte zu erzählen. Die Autozeitschrift liegt immer noch aufgeschlagen neben mir. Ich befinde mich immer noch am Inhaltsverzeichnis.

Mit Brötchen backen alleine ist es nicht getan: Ich nehme mir einige Brötchen vorweg, um sie mit viel Liebe mit Salami, Käse oder Schinken zu belegen. Und diese belegten Brötchen dann niemals ohne Salat, Remoulade und kleinen Gürkchen hinter die Scheibe legen. Da mir zwischendurch immer wieder Kunden die Ehre verschaffen, kann es schon mal zwanzig Minuten dauern bis so ein Brötchen fertig ist. Vorgabe der Tankstelle: Es müssen stets zehn Brötchen die Theke schmücken. Mein Herz erfreut es sehr, wenn dann sämtliche belegte Brötchen dann von LKW-Fahrern gekauft werden, um dann ohne mit der Wimper zu zucken vor meinen Augen in dieses Brötchen zu beißen. Aber er isst das Brötchen nicht einfach; er verschlingt es geradezu. Nicht zu vergessen der obligatorische Kaffee, der dazu getrunken wird. Noch mit Remoulade am Mundwinkel hängend verlässt er dann den Verkaufsraum. Gegen Ende der Schicht darf ich dann die vergewaltigte Kaffeemaschine säubern.

Mit der Zeit kann man Kunden, die den Verkaufsraum betreten, bereits in verschiedene Gruppen unterteilen:

Da sind einmal die jungen Paare, womöglich frisch verlobt, die wahrscheinlich einen gesamten Samstag dafür einplanen, durch den Verkaufsraum zu lungern und sich jedes Produkt einzeln anschauen. Nach diesem kleinen Einkaufsbummel liegen dann nur drei Artikel im Wert von zwei Euro auf dem Tresen. Diese werden dann natürlich mit der EC-Karte bezahlt.

Dann sind da noch die typischen Tabakkäufer: Ausländische Mitbürger wollen mir, mit dem Zeigefinger auf das Tabakregal hinter mir deutend, murmelnd irgendetwas mitteilen. Da ich nicht erst seit einer Woche an der Tankstelle arbeite, weiß ich aber schon was gemeint ist. Ich ziehe also den Barcode der Marlboro-Schachtel durch den Scanner und verlange die 3,80 Euro. Jungen Damen dagegen, äußerst leicht bekleidet und die Aerodynamik des Gesichts mit fingerdick Schminke verfeinert, bekommen gleich die 140mm-Eve-Schachtel von mir. Ich lag bisher noch nie falsch.

Es gibt auch noch Menschen, die meinen der SB-Markt an der Tankstelle ist ein Bioladen. Diese fragen mich doch allen ernstes, ob die Eier auch aus kontrolliert biologischem Anbau sind oder das Salz ohne Glutamat angereichert wurde. Leider darf ich in diesen Situationen nicht das sagen, was sagen möchte. Ist vielleicht auch besser fürs Geschäft.

Dann gibt es da noch Menschen, die scheinbar keine Freude an einem handelsüblichen Portemonnaie haben. Diese haben (und das ist kein Scherz) Unmengen an Scheinen in der Gesäßtasche, einmal in der Mitte zusammengefaltet. Der kleinste Schein ist dann meistens nur der 50-Euro-Schein. Kein Problem, man möchte ja auch nur ein Kaugummi oder einen Lolli kaufen. Aber da ich ja so nett bin und mich bereits mit der Wechselgeldkasse vertraut gemacht habe, lasse ich es über mich ergehen dass dieser Kunde mir den 50-Euro-Schein achtlos vor die Nase wirft und das Restgeld, das nicht aus Scheinen besteht, in die Blechbüchse, die mit „Spenden Sie! Helfen Sie den Tieren!“ beschriftet ist, wirft.

Dann immer wieder Kunden, die sich über die aktuellen Spritpreise beschweren und mich am Ende dafür verantwortlich machen, dass der Liter soeben um einen Cent gestiegen ist. Ich bin eben ein böser Mensch. Es erfüllt mein Herz mit Freude, wenn die Menschen viel Geld für Benzin bezahlen müssen. Leider bemerken die o.g. Menschen oft nicht, das ich selber ein Auto besitze und nicht eben Diesel, sondern Super Plus tanken muss. Und sie bemerken nicht, dass ich (leider) überhaupt keinen Einfluss auf die Spritpreise habe.

Aber lange Rede, kurzer Sinn: Bitte, ihr lieben Kunden, seid doch bitte ein bisschen freundlich, auch wenn ihr mal nach einem schlechten Tag euer Auto betanken müsst oder mal nach einem harten Arbeitstag noch schnell was einkaufen müsst. Denn die Leute hinter der Kasse sind auch nur Menschen.


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  • | 07.09.2006 18:13

find ich super da muss ich mich ja gleich davon über zeugen und mich auch mal an einer tanke bewerben :applaus:

Nightfly du sprichst mir aus der seele, ich habe selbst 7 jahre an einer tankstelle gearbeitet und es ist nicht immer die leichteste arbeit und es wird einem auch von den wenigsten kunden gedanke.

ich war und bin auch immer noch froh das ich nie so oft nachtschichten machen mußte


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  • | 07.09.2006 18:28

ist gut geschrieben:ok:aber für was n fach war das??


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  • | 07.09.2006 18:56

xie: lass es lieber ;)

dr. nos: das war religion :P


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  • | 07.09.2006 18:57

:rofl::rofl:religion:rofl::rofl:


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  • | 07.09.2006 19:09

Jap, so ist das nun mal wenn man mit Kunden zu tun hat.
Mich kotzt es auf der Bowlingbahn auch an, dass ich morgens den Biergarten aufbauen muss, wärend die ersten Gäste schon kommen, obwohl wir noch gar nicht offen haben, die aber trotzdem nett und freundlich bedient werden müssen und wenn man dann nach 10 Stunden das 30. Steak rausbringt und einem selber Magen knurrt weil man noch nicht zum Essen gekommen ist ist man auch schnell gefrustet...

Aber geil geschrieben:ok:

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  • | 07.09.2006 19:48

Bin selber an der Tankstelle angestellt, finde deine Erzählung recht interessant und an vielen Ecken und Enden musste ich grinsen, weil das von mir hätte kommen können. Allerdings finde ich die Nachtschicht ist die beste Schicht. Am Anfang zwar viel los aber ab einer bestimmten Uhrzeit immer weniger und wir arbeiten Nachts auch zu zweit (die Aral AG will das so). Noch dazu gibts ja einen Nachtzuschlag :)


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  • | 07.09.2006 19:54

Sehr cool geschireben:ok:


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  • | 07.09.2006 21:06

kann ich mich nur anschließen, ist echt sehr geil gemacht!!! Was hat dein Lehrer dazu denn gesagt :rofl:


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  • | 07.09.2006 22:51

Der Lehrer bewertet die erst nä. Woche.

merT: Bei uns gibts keinen Nachtzuschlag :(


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  • | 08.09.2006 14:15

bin zwar keiner von der tanke, aber die geschichte ist trotzdem echt :ok:!


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  • | 08.09.2006 14:37

Bin bekehrt.
Werde mir viel Mühe geben, an der nächsten Tanke lieb zu sein


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  • | 08.09.2006 15:00

sag mal hast du an einer shell tanke gearbeitet? ich bin seit 3 jahren an einer beschäftigt, und irgendwie hört sich das genau so an wie ich es fast immer erlebe...in 2 wochen hab ich 5 tage hintereinander nachtschicht...9 stunden...das wird echt spassig...


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  • | 08.09.2006 15:13

Nein ist nicht die Shell ;) Nen Kumpel von mir war an der Shell, die haben ja mit Nachtschalter... der muss immer für die Kunden durch den ganzen Laden rennen :)
Ich arbeite an einer blau-gelben Tankstelle und fängt mit "W" an :P

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